Keine festen Bänke – nur Festbänke (5)

Die neuen Festbankgarnituren

In einer Kirchgemeinde gäbe es viel zu erzählen und zu berichten. Gäbe? Wir tun es. In lockerer Folge sollen an dieser Stelle «Gschichtli und Brichtli» aus unserem Gemeindeleben zum Besten gegeben werden. Ernstes und weniger Ernstes, Geschichten für Erwachsene und Kinder, Berichte von Anlässen aus einem etwas anderen Blickwinkel. Texte zum selber Lesen, Vorlesen oder weiter Erzählen. Wir hoffen, es gefällt.







Keine festen Bänke – nur Festbänke

Wer in unsere Kirche kommt stellt schnell fest: Es gibt hier keine festen (Kirchen-)Bänke. Dies befinden sich zwar noch in der Kirche, aber nicht am Boden, sondern an der Decke. Was es bei uns aber gibt, sind Festbänke. Heute Freitag, den 8. November, sind die neuen gekommen. Helles Holz, grüne Beine - passend zur grünen Box und den grünen Stellwänden. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes leicht zu handhaben, denn sie sind um viele Kilos leichter als die alten. Erstmals werden sie wahrscheinlich am Dreikönigsapéro für Menschen am Rande der Gesellschaft zum Einsatz kommen: als Tombolabänke und -tische. Feiern gehört ja zu unserem Grundrepertoire, seien es Gottesdienste oder eben festliche Momente mit Apéro. Nun sind wir gut gerüstet!


Patrick

Vor wenigen Tagen dachte ich an Patrick. Wie er wohl lebt – oder überhaupt noch – und was er so macht? Zwei Tage später klopft es an die Türe des Sekretariats und wer steht da? Patrick! Sie kennen ihn vielleicht noch. Eher im Unguten. Er schnorrte im Tram Leute an, auf der Strasse und kam oft ins Sekretariat. Oft sehr aggressiv, weil es ihm sichtlich schlecht ging. Mal lag er im Spital oder sass im Knast, weil er Drogen auf und in sich hatte. Ein unstetes Leben, aber mit dem starken Wunsch, aus all dem wieder herauszukommen. Sein mir letzter bekannter Wohnort war Spiez, die Stiftung «Wohin», die betreutes Wohnen anbietet. Nach vielen Wirren war es Patrick gelungen, dort aufgenommen zu werden. Offenbar mit Erfolg. Seit Juli diesen Jahres habe er alle Vorgaben erfüllt und dürfe sich deshalb eine eigene Wohnung suchen und wieder reisen. Er ist sozusagen wieder auf freiem Fuss. Das war er vor vielen Jahren auch: auf freiem Fuss. Als er mich im Tram anschnorrte, weil er bei eisigen Temperaturen luftig gekleidet und barfuss in zerrissenen Schuhen fror. Eine Frau, die das Gespräch mitbekam, stand auf und schenkte Patrick jene Socken, die sie eben in der Stadt für ihren Sohn gekauft hatte. Wunderbar! Und nun steht er da, legt mir zwei auf bereits ramponierte A4-Blätter gedruckte Fotos. Eines zeigt ihn, wie er vor dem Wohnheim steht, eines mit seinem Fahrrad. Denn Velofahren war stets seine grosse Leidenschaft. Ein gutes Rad sein ganzer Stolz. Stolz, das darf Patrick sein. Vor allem auf sich selbst. Und wir dürfen uns freuen, dass unsere Unterstützung und die Wegbegleitung ein Stück dazu beigetragen haben.



3 Totenbeinli

Als Kinder haben wir an ihnen die Zähne ausgebissen: den Totenbeinli, wie das harte Gebäck in Basel genannt wird. Kleine Haselnussstäbchen sind es, die zum Kaffee gereicht wurden und werden. Kein wirklich schmeichelhafter Name, aber in Tat und Wahrheit zutreffend. Starr und ungelenkig eben, wie alles wird, wenn Gevatter Tod zu Gast war.

Dass dieses Gebäck nicht nur zum Essen taugt, sondern auch als Kunstobjekt, durften wir kürzlich für wenige Stunden in der Predigerkirche erleben. Der Installations-Künstler Werner Widmer schuf innert weniger Stunden eine Kunstintervention aus besagten Totenbeinli. Parkettartig legte er das Gebäck auf die Altarstufen im Chor unserer Kirche. Wahrlich eine Fleissarbeit: vier längs, vier quer, vier längs, vier quer usw.

Nach vollendeter Legearbeit, wurde die Intervention fotografisch festgehalten und dokumentiert. Zugegeben: aussehen tut das wirklich toll. Als hätte man in unserer Kirche die Stufen mit kunstvollem Parkett ausgelegt. Es fragt sich einzig, wie dieses Kunstwerk zu deuten ist? Ein Vorschlag: Da wir uns in der Kirche des Basler Totentanzes befinden, dürfte es sich wohlweislich um jenes Parkett handeln, auf dem Gevatter Tod seinen Tanz vollführt hat. Diese Interpretation fehlt noch im Reigen der zahlreichen bisherigen zeitgenössischen Deutungen.

Wer mehr wissen möchte: » www.wernerwidmer.ch



2 Ein Bären-Gschichtli: Jemandem einen Bärendienst erweisen – Gedanken über eine Redewendung

Die Herkunft dieser Redewendung ist nicht bis ins letzte Detail geklärt. Die gängigste Begründung lautet, sie entstamme der Fabel «Der Bär und der Gartenfreund» von Jean de La Fontaine. La Fontaine in Ehren, aber es gibt durchaus auch Beispiele von Bärendiensten, die nicht negativ konnotiert sind – ganz im Gegenteil!

Vor rund 60 Jahren wünschte sich ein Kind ganz innigst einen Bären. Nichts anderes! Allein die eng begrenzten finanziellen Verhältnisse der Familie in jener Zeit liessen den Kauf des teuren Teddy-Bären nicht zu. Eigentlich. Doch die Mutter ahnte wohl um die Bedeutung dieses Bären für ihren Sohn. So sparte sie sich das Geld sprichwörtlich am Munde ab – und kaufe das Kuscheltier. Eine grössere Freude hätte sie ihrem Sohn nicht erweisen können. Der Bär durfte und darf sich seither eines langen und liebevollen Lebens erfreuen und kommt immer noch adrette gekleidet daher.

La Fontaine in Ehren - aber es gibt - was zu beweisen war - Bärendienste, die man einem Menschen im besten Sinne erweisen kann (siehe oben).

PS: Das erwähnte Kind ist übrigens zu einem grossen Gartenfreund herangewachsen.



1 Wir bekommen, was wir brauchen

«Wir bekommen, was wir brauchen», lautet ein geflügeltes Wort unseres Pfarrers. Man könnte das als gut gemeinte Durchhalteparole oder blauäugigen Glauben eines Gutmenschen abtun. Könnte. Wenn es da nicht konkrete Beispiele gäbe, die das Wort des Pfarrers im realen (Gemeinde-)Leben festmachen. Wir sprechen nicht von grossen Wundern, sondern von kleinen Begebenheiten, die gerade dann eintreten, wenn sie vonnöten sind. So auch am ersten Julisonntag diesen Jahres.

Der Pfarrer steht allein in der Sakristei. Natürlich nicht ganz. Der Sigrist ist noch da. Von nun an –nicht bis in Ewigkeit – steht der Pfarrer dem Gottesdienst alleine vor, ohne Diakonin. Die bange Frage lautet, wer ihre Dienste innerhalb der Messe übernimmt, die da sind: Vortragen des Evangeliums, Ein- und Ausleitung der Fürbitten, Friedensgruss, Gabenbereitung, Austeilung der Kommunion, Einleitung des Schluss-Segens (ohne Gewähr auf Vollständigkeit). Da kann man sich ob der Fülle mit Fug und Recht etwas allein gelassen vorkommen. Doch wie lautet des Pfarrers Wort? Richtig: Wir bekommen, was wir brauchen.

Die Lektorin weiss bereits, dass sie nun auch die Ein- und Ausleitung der Fürbitten lesen darf. So weit, so gut. Für das Verlesen des Evangeliums ist eine Lösung gefunden, die gute Nachricht an die vorgesehenen Gemeindemitglieder ergangen. Was aber mit der Gabenbereitung? Wem ist die Gabe für die Gaben vom Herrn geschenkt? Der Kirchenrat könnte sich liturgisch einbringen und das Amt übernehmen, wäre eine interessante Variante. Gesagt getan. Sofort soll zur Tat geschritten werden. Der Sigrist öffnet die Türe der Sakristei und wer kommt ihm entgegen? Kirchenrats-Copräsident Christian Bernet. In diesem Moment sozusagen die personifizierte Weissagung des Pfarrers (zur Erinnerung: Wir bekommen, was wir brauchen). Die gute Gelegenheit wird nicht am, sondern beim Schopf gepackt: Sonntagsarbeit bei Wein, Wasser und Brot ist angesagt. Christian Bernet hat alles klaglos eingesteckt und durfte dafür auch kräftig austeilen: bei der Kommunion. Er hat den Dienst zur vollsten Zufriedenheit aller verrichtet.

Fazit: Der Pfarrer hat bekommen, was er brauchte. Und die Gemeinde? Ebenfalls, denn die Rückmeldungen jener, die in die diakonale Lücke gesprungen sind, als auch von Gemeindeseite waren durchwegs positiv. Weiter so!
Publiziert von Franz Osswald am 01.03.2021   Besuche: 41 Monat