Historischer Basler Totentanz
Der Basler Totentanz bei der Predigerkirche
Um 1440 hatte ein unbekannter Künstler auf die Innenseite der Laienfriedhofsmauer beim Dominikanerkloster einen Totentanz gemalt. Das Bild war etwa 2 Meter hoch und 60 Meter lang. Da man im Jahre 1805 die Mauer niederlegte, zerstörte man das Bild. Einige Kunstfreunde liessen sich beim Abbruch Bildstücke aus der Mauer schlagen. Die damals geretteten Bildfragmente sind im Historischen Museum Basel, Barfüsserkirche, ausgestellt. Sie beeindrucken durch die hohe künstlerische Qualität.
Alte Bildkopien und frühe Beschreibungen vermitteln eine gute Vorstellung des ehemaligen Bildfrieses, der von links nach rechts zu lesen war und mit einer Predigtszene eingeleitet wurde. Eine kleine Menschengruppe scharte sich um einen Geistlichen, der im Freien vermutlich über das Sterben predigte. Daneben sprangen zwei halb verweste Leichen aus einem Beinhaus und spielten trommelnd und pfeifend zum Tanz, zum Tanz der Menschen mit dem Tod, auf. 37 Tanzpaare, bestehend aus je einem Leichengerippe und einem sterbenden Menschen, bewegten sich auf das Beinhaus zu. Die Leichengerippe personifizierten den Tod. Die einzelnen Sterbenden waren durch ihre Kleider und Attribute als Angehörige verschiedener Gesellschaftsgruppen gekennzeichnet. Die Reihenfolge der Tanzenden spiegelte den spätmittelalterlichen Gesellschaftsaufbau. Den Tanzzug führten die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten an, gefolgt von den Stände- und Berufsvertretern einer Stadt. Am Ende tanzten die niedrigsten Vertreter der Gesellschaft: Blinder, Jude, Heide Heidin, Koch und Bauer. Neben dem hierarchischen Gliederungsmotiv waren im Wechsel von geistlichen zu weltlichen und von männlichen zu weiblichen Personen weitere Ordnungsprinzipien zu erkennen. Der Künstler kannte sich in der kirchlichen und politischen Hierarchie gut aus; er selbst dürfte dem städtischen Milieu angehört haben.
Das Bild mit dem makabren Thema wollte die Ungewissheit der Todesstunde, die Allgegenwärtigkeit des Todes, die Unentrinnbarkeit vor dem Tode, vor allem aber die Gleichheit aller Menschen vor dem Tode darstellen. Besucherinnen und Besucher des Friedhofs sollten an die Hinfälligkeit alles Irdischen und an die Endlichkeit ihres eigenen Lebens erinnert werden. Eindringlich wurden sie ermahnt, irdische Werte wie Reichtum, Schönheit und Macht gering zu achten. Die moralisierend-didaktische Absicht entsprach den Zielen des Dominikanerordens, der sich nicht in weltabgeschiedenen Tälern, sondern in Städten niederliess und aktive Volksseelsorge betrieb. Wegen ihrer ausgeprägten Predigttätigkeit nannte man die Dominikaner auch Prediger. Das Totentanzbild war in gewisser Weise eine gemalte Busspredigt.
Basler Totentanz (Foto: Hanspeter Rast)